Indoor Bonsai - Pflichtlektüre für Anfänger

Fachbeiträge über Pflanzen, Bonsai und ihre Pflege.
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Walter Pall
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Indoor Bonsai - Pflichtlektüre für Anfänger

Beitrag von Walter Pall »

Indoor Bonsai - Pflichtlektüre für Anfänger

Die überwiegende Mehrzahl der sogenannten Indoor-Bonsai darf nicht in normalen Wohnräumen gehalten werden, weil sie da kümmern und unweigerlich früher oder später eingehen. Sie können nur in warmen Glashäusern mit hoher Luftfeuchtigkeit gehalten werden. DAS BEDEUTET, DASS DIE ALLERMEISTEN BONSAI, DIE ALS FÜR DIE WOHNUNG GEEIGNET VERKAUFT WERDEN, DEM TOD GEWEIHT SIND. Entsetzlich? Ja, aber leider die nackte Wahrheit. Beschwere Dich nicht bei mir, sondern bei den Händlern, die das nicht sagen und wohl auch oft nicht wissen.

Es gibt natürlich verantwortungsbewußte Händler, die auch Indoor-Bonsai verkaufen und entsprechend beraten. Solche Händler topfen die importierten Bäume, die meist in völlig unbrauchbarem chinesischem Lehm stecken, erst einmal um. Dann kosten sie auch mehr! Ich spreche hier eher von Baumarkt-Angeboten und ähnlichem.

Subtropische und tropische Bäumchen werden nicht in so ungeheuren Mengen verkauft, weil sie so besonders geeignet und beliebt sind, sondern weil sie so besonders billig sind. Man kann damit tausend Prozent und mehr auf den Einstandspeis aufschlagen und den Baum immer noch billig anbieten. Mit diesen Bäumen macht man echt Geld, was mit guten Bonsai nicht oder kaum möglich ist. Dass die dann alle eingehen ist dabei nicht so wichtig. Indoor Bonsai sind so billig wie ein Blumenstrauß und halten meist auch nur unbedeutend länger.

Nur solche Arten, die auch normalerweise als Zimmerpflanzen gehalten werden, sind zu empfehlen. Das sind dann die meisten Ficus-Arten, Hibiscus und jetzt geht mir schon der Stoff aus. Das sind NICHT Serissa, Fukien-Tee usw. Chinesische Ulmen sind auch nicht so gut geeignet, sie kümmern im Zimmer meist dahin, wenn keine besonderen Maßnahmen getroffen werden.

Es gibt keine Indoor-Bonsai. Alle Bäume wachsen in der Natur im Freien. Nur ganz wenige können die Lebensbedingungen in geschlossenen Räumen ertragen. Das sind einige tropische und subtropische Gehölze. Beileibe nicht alle! Die Lichtverhältnisse sind für die meisten Pflanzen in der Wohnung unerträglich. Der Mensch hat die Fähigkeit, seine Augen anzupassen und ihm erscheint eine Wohnung oft sehr hell. Pflanzen müssen mit dem Licht leben, das sie erhalten. Das ist wesentlich weniger als man so glaubt.

An einem sonnigen Tag im Sommer werden im Freien etwa 80 000 Lux, bei Bewölkung 30 000 Lux und im Winter nur etwa 10 000 Lux gemessen (Lux = Einheit der Beleuchtungsstärke). Hinter der Scheibe eines Südfensters stellt man dann nur noch zwischen 10 % und 50 % der draußen gemessenen Lichtintensität fest. Exakte Angaben sind deshalb nicht möglich, weil die Lage von Fenstern ganz unterschiedlich sein kann; man braucht nur an Schattenwurf gegenüberliegender Häuser oder Bäume, an Überdachungen von Balkonen, Stockwerkhöhen usw. denken. Eine Pflanzenauswahl für Süd-, Nord-, Ost- oder Westfenster ist daher immer nur als Orientierungshilfe gedacht, um einen Eindruck der variablen Lichtverhältnisse zu vermitteln.

Im Innenraum erfolgt mit zunehmendem Abstand vom Fenster nochmals eine überproportional starke Abnahme des Lichtes. Wenn man zusätzlich Hindernisse wie Gardinen, lichtschluckende Tapeten und Möbel einrechnet, wird ersichtlich, daß in vielen Fällen etwa 2 m vom Fenster entfernt bereits Grenzwerte für eine Pflanzenhaltung erreicht sind.

In Wohnräumen herrscht meistens eine sehr gering Luftfeuchtigkeit, die für viele Bäume nicht erträglich ist. Alle Bäume haben an den Blättern Spaltöffnungen, durch die sie atmen. Dies Öffnungen schließen sich automatisch, wenn die Luftfeuchtigkeit unter einen gewissen Wert fällt, damit der Baum nicht zuviel Feuchtigkeit verliert. Das bedeutet, dass alle Bäume, die sich nicht in wüstenartigem Klima wohl fühlen, in Innenräumen viel zuwenig atmen können. Dann ist auch die Temperatur in Wohnräumen meist zu hoch. In der Nacht sinkt sie nicht bedeutend ab; wie das für die Gesundheit der meisten Baumarten wichtig ist.

Meistens wird übersehen, dass Bäume fast immer eine Ruheperiode brauchen. Auch "Indoors" benötigen oft eine Kaltperiode oder eine Trockenperiode, jedenfalls eine gewisse Zeitspanne, in der die Bäume nicht oder kaum wachsen. Auch subtropische und tropische Gewächse müssen die Belaubung wechseln. Es ist äußerst schwierig bis unmöglich, im normalem Wohnzimmer solche Bedingungen herzustellen. Das bedeutet, dass nur ein ganz geringer Prozentsatz der Bonsai jemals ein Haus von innen sehen dürfen.

Alle Bäume, die in gemäßigten Zonen wachsen, dürfen nicht in Wohnräumen aufgestellt werden. Es erstaunt immer wieder, mit welcher Naivität Bonsai auf diese Weise in großer Anzahl vernichtet werden. Man muss einfach akzeptieren, dass ein sog. "Outdoor-Bonsaiâ" höchstens einige Stunden im Zimmer verbringen darf. Im Winter, während die Bäume ihre Ruheperiode haben, ist selbst das zu lange. Der Baum könnte veranlasst werden, seine Ruheperiode aufzugeben und dann ist er extrem frostgefährdet.

Schade
Zuletzt geändert von Walter Pall am 29.01.2005, 19:09, insgesamt 5-mal geändert.
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