Grundlegene Probleme der Stammgestaltung

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Pawel
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Grundlegene Probleme der Stammgestaltung

Beitrag von Pawel »

Einen wunderschönen guten Tag ihr lieben,

ich beschäftige mich schon eine ganze Weile theoretisch mit Bonsai, habe jedoch nie wirklich erfolgreich damit angefangen. Nun möchte ich dies ändern und habe mir schon etwas ausgeguckt, woran ich mich versuchen möchte.

Nun benötige ich jedoch fachkundige Hilfe, da ich mich an ein paar Gedanken aufhänge und offenbar Denkfehler habe, die ich nicht alleine lösen kann.


[b]Teil 1: Stammgestaltung[/b]

Ich habe etliche Anleitungen bezüglich der unterschiedlichsten Schritte gelesen und komme mit den meisten Erklärungen wunderbar zurecht. Lediglich bei der Stammgestaltung stehe ich felsenfest auf dem Schlauch.

Folgendes Problem:

Wenn ich, sagen wir mal einen streng aufrechten, Stamm gestalten will, lasse ich den Baum zunächst wachsen. Irgendwann erreicht der unterste Abschnitt die gewünschte Dicke und der Rest wird gekappt. Nun habe ich einen Baumstumpf, der rund um die Schnittfläche, wahrscheinlich jedoch etwas tiefer darunter, austreibt. Diese Triebe wachsen jedoch von Natur aus nicht in schnurgerader Verlängerung des Stamms, sondern seitlich versetzt aus seiner Seite heraus. Das Ziel ist selbstverständlich einen der Triebe auszusuchen und ihn so zu gestalten, dass er trotzdem in schnurgerader Verlängerung wächst.

Kurz gefragt: Wie?

Ich habe mir einmal erlaubt ein wenig zu malen um mein gedankliches Problem zu verdeutlichen. Angenommen ich biege den Trieb wie gezeigt über die Schnittfläche. An der rot markierten Stelle habe ich die Rinde des neuen Triebes, die irgendendwann durch Dickenwachstum die Schnittfläche zunächst berührt und dann Schrittweise "nach unten" in den Stamm zu wachsen versucht. Da dies nicht geht, denke ich mir, dass rund um die Schnittfläche irgendwann ein Wulst entsteht. Man kann den neuen Trieb ja nicht unbegrenzt eng biegen, da man ihn sonst brechen oder zumindest stark schädigen würde. Dies dürfte vor allem bei Arten mit sonst sehr glatter Rinde ein riesiger optischer Makel sein!? Die zweite Überlegung war den Stamm schräg zu kappen. Das würde die Biegung, die man in den neuen Haupttrieb bringen muss um ihn in Verlängerung des Stammes zu bringen zwar reduzieren, jedoch kann das nicht funktionieren, da der Baum an der höchsten und nicht an der tiefsten Stelle am Schnitt austreiben wird!? Außerdem wächst der neue Trieb ja zunächst seitlich heraus. Das bedeutet für mich, dass an der Stelle (grün markiert) immer eine "Beule" bleiben wird, auch wenn der Trieb zurück zur Stammmitte geführt wird. Zusätzlich ist der Gedanke: je dicker ich den Stamm haben will, desto größer ist der Unterschied zwischen dem gekappten Stamm und dem neuen Haupttrieb. Dies müsste das Problem noch weiter verstärken?


BildBild


Nun würde ich gerne von euch wissen, wie das praktisch gelöst wird bzw. an welcher Stelle ich Denkfehler habe. Falls ihr eine Bilderserie von diesem Arbeitsablauf habt und wie sich der Stamm und der neue Haupttrieb in der Folgezeit entwickeln, wäre ich ebenfalls sehr dankbar. Ich nutze Google gerne und bin normalerweise gut darin Wortkombinationen zu erfinden, die die gewünschten Ergebnisse liefern - hier habe ich versagt.


Teil 2: Natürliche Gestaltung von Acer saccharum

Mein Wunschbaum für den geplanten Versuch ist ein Zuckerahorn. Vielleicht gibt es einfachere Arten, vielleicht nicht - ich weiß es nicht. Ich möchte jedoch an dieser Stelle auch nicht versehentlich eine Grundsatzdiskussion lostreten, ob ich mit genau diesem Baum anfangen sollte oder nicht!

Ich habe bereits gelesen, dass selbst gut gepflegte Bonsai etwas problematisch sind und sich weigern wirklich kleine Blätter zu bilden. Das stört mich in sofern nicht, als dass ich durchaus gerne einen relativ großen Baum mit 50 cm oder mehr gestalten würde. Ich bin bereits an dieser Stelle für Ratschläge bezüglich einer sinnvollen Größe dankbar, falls jemand Erfahrungen mit dieser Art hat. Im Internet gibt es nicht viele Informationen dazu - Acer saccharinum und vor allem Acer palmatum sind offensichtlich wesentlich beliebter.

Ich möchte den Baum vor allem entsprechend seiner natürlichen Wuchsform gestalten, anstatt ihn in eine beliebige Bonsai-Form zu "zwingen" (abgesehen davon, dass der Baum in jedem Fall in irgend eine Form gezwungen wird).
Ich habe mir viele Fotos angesehen und werde einfach nicht schlau daraus, wie dies sinnvoll umzusetzen wäre. Für mich sieht der natürliche Wuchs wie eine Kombination aus streng aufrechter und Besenform aus. Die Bäume haben einen sehr kurzen Stamm und verzweigen sich bereits in geringer Höhe sehr stark. Prinzipiell ähnelt der Wuchs, meinem subjektiven Empfinden nach, eher einer Besenform, jedoch bleibt auf ganzer Höhe ein Haupttrieb deutlich erkennbar - manchmal ab halber Höhe sogar zwei sehr ähnlich starke Haupttriebe. Dies passt letztlich zu keiner mir bekannten Bonsai Form. Wie würdet ihr den Baum gestalten, damit er sowohl mein persönliches Kriterium eines naturnahen Wuchses, als auch den Kriterien für einen guten Bonsai entspricht?

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So, nun hoffe ich, dass ich nicht viel zu viel geschrieben habe und, dass ihr lieben Leute mir etwas helfen könnt!


Schöne Grüße,
Pawel
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Thomas
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Re: Grundlegene Probleme der Stammgestaltung

Beitrag von Thomas »

Hallo Pawel,

das problem bei der Gestaltung einer streng aufrechten Form hast Du richtig erkannt.
Darum findet man auch wenig gute Exemplare in dem Stil.
Es kommen dafür auch nur wenige Arten in Frage, die von Haus aus so wachsen, wie etwa Sicheltannen Schwarzkiefer , diverse Scheinzypressen und Sumpfzypressen.

In der Praxis sucht man , wie eigentlich generell bei Bonsai , reifes Material mit solchen Voraussetzungen.
Sowas selbst ziehen zu wollen ist für einen Einsteiger kaum zu realisieren und selbst ein erfahrener Bonsaianer käme kaumauf den Gedanken, den das Ergebnis erlebt man alenfalls im greisen Alter. Eine Schwarzkiefer oder Sicheltanne etwa sind im alter von 50-60 Jahren eher in einem für einen Baum und Bonsai judendlichem Alter.

Zuckerahorn unterscheidet sich wenig von anderen Ahornarten.
Warum also nicht?!
Wen ich gutes Material von der Art irgendo finden sollte, würde ich mich wenig daerum scheren, ob der Baum nun sleten gepflegt wird und evtl. im Vergleich etwas größere Blätter hat.

Evtl. zeigt Du ja mal ein Bild von Deinem Exemplar.

Die Stilform in der Laubbäume in der Regel wachsen ist eine Besenform.
In den meisten Büchern findet man nur die klassische Besenform.

Es gibt aber auch die aufrechte oder frei aufrechte Besenform.
Die Skissen, welche Du gepostet hast, entsprechen in etwa der aufrechten Besenform.

Die Stilformen dienen mehr oder weniger der Orientierung, an die man sich nicht unbedingt 1:1 halten muss oder sollte.
Es sollen ja keine Einheitsbäume gestaltet werden, sondern Bäume mit Individualität.
Das Beste Vorbild ist die Natur, wie Du ja mit Deinen Bildern auch dokumentiert hast.
Pawel
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Re: Grundlegene Probleme der Stammgestaltung

Beitrag von Pawel »

Hallo Thomas,

vielen Dank für die Antwort. Etwas beruhigend, dass ich mir nicht übermäßig viele Sorgen machen muss den Baum völlig zu ruinieren.

Trotzdem bin ich noch immer nicht schlauer, wie das rein praktisch funktioniert mit dem Kappen des Hauptriebes und einen Seitentrieb nach oben leiten. Selbst wenn ich auf eine streng aufrechte Form verzichte, sollte ich den Teil der Gestaltung verstehen... der ist ja für fast jede Stilform relevant.

Eine weitere Frage hierzu: Wie dick sollte / darf ein Stamm werden, bevor man ihn abschneidet und durch einen Seitentrieb ersetzt, damit das Ergebnis eine schöne, gleichmäßige Verjüngung ist?

Schönen Gruß,
Pawel
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Thomas
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Re: Grundlegene Probleme der Stammgestaltung

Beitrag von Thomas »

So ganz verstehe ich die Frage nicht.

Ich suche mir einen passenden Ast in der Spitze, der in passendem Winkel aus dem Stamm kommt und meine neue Spitze bilden soll und kappe halt den Stamm entsprechend.
Ggf. drahte ich die neue Spitze auch noch entsprechend.
Der Ast sollte im Verhältnis zum Stamm kräftig genug sein, dass dann auch die Wunde zuheilt.
Im Idealfall sieht man den Übergang vom alten Stamm zur neuen Stammspitze nicht, d.a. es ist kein abrupter Übergang.

An der absoluten Dicke lässt sich das nicht festmachen.
Yamadoris mit armdicken Stammen kürzt man auch in der Weise.

Wie gesagt , wenn man sehen könnte wovon wir eigentlich reden,
würde sich die Sache konkreter erklären lassen.
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